«Die hohe Anerkennung macht uns stolz»

Das ganze Interview mit Matthias Unseld, dem scheidenden Präsidenten:

Seit Matthias Unseld im 2008 Vorstandspräsident des Vereins tipiti wurde, vergrössert sich die Organisation nochmals stark. Vor seinem Rücktritt im Sommer 2016 schildert er, was ihn die acht Jahre bewegt hat.

Das Interview führte und redigierte Regula Obi, kommunikationsberater.ch

Der Verein Tipiti ist in den letzten acht Jahren zu einer Organisation von über hundert Mitarbeitenden angewachsen. Wie bewältigt man ein solches Wachstum?
Matthias Unseld: Mit unserer Motivation. Tipitis engagierte Mitarbeitende tragen den Erfolg mit. Im Zentrum unseres Handelns steht eine verlässliche Beziehung und dies zieht sich durch alle Bereiche. Zentral für tipiti ist die Auswahl der Mitarbeitenden und dass wir nicht als Grossinstitution funktionieren, sondern in überschaubaren Einheiten organisiert sind. Die Menschen müssen sich kennen und die Teams die Verantwortung direkt übernehmen. Wichtig ist, dass jeder über seine Aufgaben und Verantwortlichkeiten Bescheid weiss.

Eine grosse Verantwortlichkeit für ein Ehrenamt. Wie kann ich mir das vorstellen?
Für die Führung und Begleitung der Mitarbeitenden in den verschiedenen Bereichen sind die Mitglieder der Geschäftsleitung verantwortlich. Als operativer Leiter ist Rolf unser wichtigstes Bindeglied. Er stellt die kritischen Fragen zu laufenden und geplanten Aktivitäten von tipiti und hält ein waches Auge auf die zunehmend in den Vordergrund tretenden Finanzen.
Jedem Vorstandsmitglied ist ein Bereich zugeteilt, den er oder sie in einer Art Götti-Funktion begleitet. Je nach zeitlicher Verfügbarkeit besuchen wir diesen Bereich oder eine Schule ein- bis zweimal im Jahr. Dadurch verlieren wir den Kontakt zur Basis nicht.

tipiti ist auch fachlich gewachsen und nimmt häufig eine Art Pionierrolle ein.
Wachstum ist übrigens nicht per se die Strategie von tipiti. Im Vordergrund stehen das Wohl der Kinder und Jugendlichen und die Qualität der Förder- und Betreuungsangebote. Wir wollen uns weiterentwickeln und müssen auch auf gesellschaftliche Entwicklungen flexibel reagieren. Tipiti versucht mit innovativen Ideen eine Antwort darauf zu geben, wie zurzeit die Neukonzeption der betreuten Wohnangebote für Jugendliche.

Welches sind deiner Meinung nach die Meilensteine der letzten Jahre?
Einerseits die Kompetenzzentren für Pflegefamilien und andererseits die speziell entwickelten, unterschiedlichen Modelle unserer Schulen wie die Erlebnispädagogik oder die nachschulische Betreuung. Für dieses Konzept erhielt die Oberstufe Wil letztes Jahr den Preis der Peter-Hans-Frey-Stiftung. Diese hohe Anerkennung von ausserhalb macht uns stolz. Die grösste Herausforderung war die Integration der Wohnangebote für Jugendliche. Die Erfahrungen der ersten fünf Jahre werden zur Zeit ausgewertet und Anpassungen vorgenommen, um flexibler auf die unterschiedlichen Entwicklungs- und Förderungsbedürfnisse zu reagieren zu können und auch die Fixkosten zu reduzieren.

Ein Vorstand prägt auch die Vereinskultur. Welche Wertvorstellungen sind tipiti besonders wichtig?
Mit unserer «Selbstverpflichtung» machen wir unsere Grundhaltung neuen Mitarbeitenden und gegen aussen, gegenüber Eltern und Behörden transparent, damit sie alle mittragen. Dem Vorstand ist auch die Wertschätzung der Arbeit sehr wichtig. Dass tipiti immer wieder grosse ideelle und finanzielle Unterstützungen von Stiftungen und Privaten erfahren darf und seit vielen Jahren vom der Kantons AR unterstützt wird, zeigt uns, dass unsere Haltung geschätzt wird.


Dieses Jahr hat tipiti sein 40-Jahr-Jubliäum. Stimmt es, dass ihr aufgrund eures Engagements für die Betreuung von Flüchtlingskindern die Feier reduziert?
Manchmal muss man die Kräfte konzentrieren. Im Auftrag des Kantons AR übernimmt tipiti alle unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden. Wichtig ist uns, dass wir diese jungen Menschen unabhängig ihres Status bis in ein selbständiges Erwachsenenleben begleiten und fördern können. Diese Haltung gemäss unserem Leitbild entwickeln wir gemeinsam mit den Behörden, darüber sind wir sehr froh. Tipiti ist stolz auf ihr 40-jähriges Wirken und darf darauf verweisen. Der Aufbau dieses Bereichs erfordert ein grosses organisatorisches Engagement. Wir werden deshalb das Jubiläum in einem kleineren, privateren Rahmen mit unseren Mitarbeitenden feiern.

Du bist seit August 2015 Rektor des Berufs- und Weiterbildungszentrums Toggenburg (BWZT) und hast leider deinen Rücktritt bekannt gegeben.
Der Vorstand hat mich immer sehr aktiv unterstützt, aber mit meiner zeitlichen Verfügbarkeit kann ich meinen Anforderungen an das Präsidentenamt nicht mehr gerecht werden. Neue Kräfte können auch einen Schub verleihen. Wir sind im Gespräch mit möglichen Persönlichkeiten und ich werde sicherlich den Übergang begleiten.